(Unter Lernräumen wird im folgenden ein imaginärer/immaterieller Raum verstanden, der jedoch nicht ohne einen entsprechend ausgestatteten realen (Schul-)Raum denkbar ist.)
Gestalten von Bildungsprozessen => Initiieren von Lernprozessen
-> formell
-> theoriegeleitet, begründet
Die Gestaltung von Bildungsprozessen ist immer eine theoriegeleitete, reflektierte, analytisch-didaktisch begründete Planung, Entwicklung, Organisation und Durchführung sowie Evaluation und Reflexion von Lehr-/Lern-Arrangements bzw. Lernräumen.
Gesamtkomplex Lehren (nach Peterßen 2000)
- Planen
- Entwickeln / Organisieren / Vorbereiten
- Durchführen
- Kontrollieren & Reflektieren
Im Gegensatz zum Lernen gibt es trotz intensiver bildungswissenschaftlicher Forschung keine umfassenden Theorien zum Lehren oder zur theoriebasierten Gestaltung von Lernprozessen. Die Aussage von Gage (1977), dass es kein Standardwerk zur Theorie des Lehrens gibt, ist nach wie vor gültig. Das Lehren wird immer noch fast ausschließlich über das „Lernen ermöglichen“ definiert.
Es gibt jedoch einige didaktische Modelle, die zumindest Teilaspekte der Didaktik beschreiben (siehe Exkurse I oder Anhang: Didaktische Ansätze).
1.1 Das Mantra der Didaktik
Wohl dem, der nie zu ergründen versuch was Didaktik eigentlich ist.
Für ein zufriedenes Leben während des Lehramtsstudium und im Beruf sollten Sie das folgende Mantra verinnerlichen:
− Es gibt nicht die Wahrheit in der Didaktik!
− Antinomie ist normal, um nicht zu sagen die Regel!
− Es gibt keine Rezepte – Erfinde alles jeden Tag neu!
1.2 Didaktisches Design
Design = Kunst + Funktion
In Bearbeitung…
Nach사고력
[# Lernräume zu designen ist wie das Lernen eines Musikinstruments. An der Universität lehrt man alles
zur Musikgeschichte, Noten, Kontrapunkt, Intonation, Interpretation im Kontext der Zeit, Anschlagtechnik,
Biographie der Musiker, physikalische Tonbildung etc. aber ein guter Spieler wird man nicht nur durch das
Wissen darüber oder durch Zuhören, sondern nur durch üben – diese Mühsal kann Ihnen keiner
abnehmen.] [Oder: Wir liefern die Farben, die Farbenlehre und die Stilkunde – Sie malen das Bild – immer
wieder]
Querverweis
Stichworte
Anhang: Studienmaterial – Theoretische Exkurse – Didaktische Ansätze
Lehr–/Lerntheoretische Ansätze; Berliner Modell; Hamburger Modell
Anmerkung
Im Englischen ist der Begriff didactic negativ besetzt. Er hat hier die Bedeutung von „Schulmeister:in“ im
Sinne eines unsensiblen, unsympathischen, preußischen Paukers.
Eine sinnentsprechende Übersetzung wäre teaching methodology.
Für den Begriff der Bildung gibt es überhaupt keine adäquate englische Übersetzung.
Durch die fehlenden gemeinsamen Begriffe ist es schwierig, die wissenschaftlichen Erkenntnisse der
englischsprachigen Forscher in das wissenschaftliche deutschsprachige System einzuordnen und
umgekehrt.
In der Didaktik gibt es zunächst kein richtig oder falsch bzw. gut oder schlecht; es gibt nur
unterschiedliche Optionen, die es zu reflektieren gilt.
Es kann auch keine Rezepte geben, da die „Zutaten“ jedes Mal anders sind.
Lehrer:innen benötigt daher eine hohe Ambiguitätstoleranz -> Aushalten von Wiedersprüchen, Bereitschaft auf
eindeutige dualistische gut-schlecht-Lösungen zu verzichten und eine enorm hohe Frustrationsgrenze. Und
eine ordentliche Portion Inkompetenzkompensationskompetenz (vgl. Marquard 1991 S. 237) für ein
befriedigenden Berufsleben.
„Erwachsene sind lernfähig aber unbelehrbar“ (Siebert 2012, S. 249)
„Wenn Du ein Schiff bauen willst, […] lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.“
(Saint-Exupéry: Die Stadt in der Wüste)
1.3 „Theoretische“ Gedanken zum Lehren
1.3.1 Didaktische Modelle
Die Krux mit der Wissenschaft oder die 50+x Modelle der Didaktik und warum das Wissen darüber selten beim didaktischen Design und Handeln weiterhilft (siehe Kron (2012) ab Seite 65).
Exkurs II
Didaktische Modell / Konzepte / „Theorien“
Didaktische Modell sind Konstrukte zur Analyse, Planung oder Beschreibung didaktischen
Handelns bzw. des Lehr-Lern-Prozesses und sie sind so vielfältig wie der Prozess selbst –
alleine Kron (2008, S. 66) identifizierte zweiundvierzig.
Viele didaktischen Modelle spiegeln den Zeitgeist und die wissenschaftlichen Erkenntnisse aus Psychologie und Pädagogik ihrer Entstehungszeit ihrer Entwicklung wider – ein einheitliches wissenschaftliches System gibt es jedoch nicht.
Im Folgenden eine unvollständige Auflistung didaktischer Modelle (entnommen der Webseite: http://tep-online.info/didainx.htm#theorien).
- Adressatenorientierte Didaktik (Bönsch 1981)
- Aktivitäts- und Erfahrungsdidaktik (Schröter 1980)
- Beziehungstheoretische Didaktik (Bosch u. a. 1981)
- Bildungstheoretische Didaktik (Klafki 1959, 1964, 1974, 1980a, 1986, 1991; Beckmann 1972)
Curriculare Didaktik (Möller 1980, 1986) - Didaktik als Dramaturgie des Unterrichts (Hausmann 1959)
- Didaktik als Grundlegung erziehenden Unterrichts (Geißler 1982)
- Didaktik als Lehrfunktion (Klingberg 1972; Schröter 1972; Lahn 1972)
- Didaktik als Praxis (Martin 1989)
- Didaktik als Strukturtheorie des Lehrens und Lernens (Peterßen 1971)
- Entwicklungspädagogische Didaktik (H. Roth 1971)
- Geisteswissenschaftliche Didaktik (Beckmann 1972)
- Interaktionstheoretische Didaktik (Bosch u. a. 1981)
- Interkulturelle Didaktik (Flechsig 1991)
- Kategoriale Didaktik (Dauenhauer 1970)
- Kommunikative Didaktik (Popp 1976; Winkel 1988)
- Konstruktive Didaktik (Hiller 1973)
- Konstruktivistische Didaktik (Reich et al. 2005, 2008, 2009, 2010)
- Kritisch-instrumentelle Didaktik (Bönsch 1975)
- Kritisch-kommunikative Didaktik (Schäfer/Schaller 1976; Winkel 1980, 1986, 1988)
- Kritisch-konstruktive Didaktik (Klafki 1980b, 1986, 1991)
- Kybernetische Didaktik (v. Cube 1965, 1970)
- Kybernetisch-informationstheoretische Didaktik (Frank & v. Cube 1970, 1971, 1972,
1980, 1986) - Lerntheoretische Didaktik – Berliner Modell 1 (Heimann/Otto/Schulz 1970)
- Lehrtheoretische Didaktik – Berliner Modell 2 (Schulz 1980, 1986)
- Lehrtheoretische Didaktik – Hamburger Modell (Schulz)
- Materialistische Didaktik (Klingberg 1972; Bönsch 1975)
- Psychologische Didaktik (Aebli 1963)
- Realistische Didaktik (Beckmann/Biller 1978)
- Skeptische Didaktik (Ballauff 1970)
- Strukturale Didaktik (Lenzen 1973)
- Systemtheoretische Didaktik (König Riedel 1976; Riedel 1979)
- Handlungsorientierter Unterricht
- Aus dem amerikanischen Raum stammenden Modelle:
– Behavioristische Instruktionstheorie (G.L. Gropper)
– Algo-heuristische Instruktionstheorie (L.N. Landa)
– Hierarchisches Instruktionsmodell (L.J. Briggs & R.M. Gagné)
– Instruktionsstrategien nach der strukturalen Lerntheorie (J.M. Scandura)
– Kognitive Theorie des Fragenden Lehrens (A. Collins & A.L. Stevens)
– Komponenten- Display- Theorie (M.D. Merrill)
– Elaborationstheorie der Instruktion (C.M. Reigeluth & F.S. Stein)
– Motivationale Unterrichtsplanung (J.M. Keller)
Querverweis
Literatur
Kron, W. (2008): Grundwissen Didaktik. 5., überarb. Aufl. München: Reinhardt UTB.
Anmerkung
Im Skript werden nur die wenigsten Modelle erwähnt.
Im Seminar werden didaktische Modelle an der Stelle behandelt, wo sie für die Gestaltung oder
Realisation von Lehr/Lernprozess relevant sind.
1.3.2 Theorie der Psychologie des Handelns (psychologische Didaktik) – Aebli
Grundformen des Lehrens (nach Aebli)
Aebli war Schüler von Piaget. Sein Ansatz zur allgemeinen Didaktik basiert auf der Psychologie (vgl. Aebli 1998).
Er postuliert die 12 Grundformen des Lehrens:
Anwenden
Erzählen und Referieren
Vorzeigen
Anschauen und Beobachten
Mit Schüler:in lesen
Schreiben – Texte verfassen
Einen Handlungsablauf erarbeiten
Eine Operation aufbauen
Ein Begriff bilden
Problemlösendes Aufbauen
Durcharbeiten
Üben und Wiederholen
1.3.3 Aspekte einer effizienten Lehre
Als förderlich für hohe Lernzuwächse haben sich in Studien die folgenden Aspekte herauskristallisiert (vgl. Schönknecht 2005; Schrader, Helmke 2002; Weinert, Blömeke 2003;
Helmke 1997 u. a.):
− Großes Spektrum an methodischen Handlungsmöglichkeiten (direkte Instruktion bis zum selbst organisierten Lernen)
− Gute Strukturierung des Unterrichts
− Anspruchsvolle Aufgabenkultur
− Differenzierte Aufgabenstellung
− Hohe Leistungserwartung
− Individuelle Unterstützung der Schüler:innen
− Effiziente Klassenführung
1.4 Lehren – Planung, Durchführung und Reflexion von Lehr-/Lernprozessen
Die Definitionen für den Begriff Unterricht* sind ebenso vielfältig, wie für die Begriffe Didaktik oder Lernen.
*Die KMK sowie einschlägige Ordnungsmittel verwenden i. d. R. die Begriffe Unterricht und unterrichten. Da die Begriffe jedoch noch immer unterschwellig einen 45min-Takt impliziert, der mit der Idee der Lernfelder so nicht zwangsläufig gegeben ist, werden im Folgenden statt Stunden oder Unterricht des Öfteren die Begriffe Lehr/Lernsequenz, Lehreinheiten etc. verwendet.)
Hier eine kleine Auswahl von Definitionen:
Unterricht ist …
- … „ein zielbewußtes und deshalb auch planmäßiges sowie auf einem längeren Zeitraum ausgedehntes und verteiltes Lernen“ (Huber 1983).
- … „eine planmäßige Interaktion von Lehrenden und Lernenden zum Aufbau von Sach-, Sozial- und Selbstkompetenz im institutionellen Raum von Schule oder schulähnlichen Einrichtungen“ (Meyer, H.)
- [damit] sind im Allgemeinen solche Situationen gemeint, in denen mit pädagogischer Absicht und in organisierter Weise innerhalb eines bestimmten institutionellen Rahmens von professionellen tätigen Lehrenden Lernprozesse initiiert, gefördert und erleichtert werden“ (Reinmann, Mandl 2001, S. 603).
- … etc.
Unterricht kann als ein institutionalisiertes, komplexes, dynamisches, interdependentes, indifferentes und unbestimmtes System betrachtet werden, das durch eine Vielzahl an Variablen, die sich gegenseitig bedingen, gekennzeichnet ist. Verschiedene Individuen interagieren in diesem System.
Eine umfassende Beschreibung dieses Systems mit seinen Wechselwirkungen sowie dessen vollständige Beherrschung ist noch nicht gelungen – „[…] es entzieht sich der vollständigen Planbarkeit, der sicheren Prognose oder völligen exakten Erklärung“ (Wilbers 2016, S. 7).
Zu den fast unmöglichen Aufgaben der Lehrenden gehörte es, Prozesse in diesem System zu gestalten und zu steuern bzw. regeln.
Die Aufgabe der Lehrenden ist es (nach Müller-Limmroth 1988) „[…] eine Wandergruppe mit Spitzensportlern und Behinderten bei Nebel durch unwegsames Gelände in nordsüdlicher Richtung zu führen, und zwar so, daß alle bei bester Laune und möglichst gleichzeitig an drei verschiedenen Zielorten ankommen.“
1.5 Aufgabenkomplex der Lehrenden
Der Tätigkeitsbereich Unterrichten oder Lehren umfasst die Prozesse Unterrichtsplanung und Unterrichtsdurchführung. Die Aufgaben dabei sind multiplex/mannigfaltig, jedoch nicht allumfassend.
Die Lehrenden sind verantwortlich (professionell und ethisch) für die didaktische und fachliche Qualität ihrer Lehre, auch für ihre Bemühungen um Vermittlung zwischen Psychologie und Sachlogik, für die Bemühungen, den Teilnehmenden Zugänge zu der Thematik zu erleichtern. Aber sie sind nicht verantwortlich für den Lernprozess der Teilnehmer selbst. Dieser autopoietische Lernprozess entzieht sich einer Planung und Verfügungen.
Siebert 2012, S. 252 f. Hervorhebung durch Autor:in
Handlungsfelder
Planen
Reflexion
Initiieren/Unterrichten

Quelle: Eigene Darstellung.
1.6 Didaktisches Design
Die kompetente Initiierung von Lernprozessen setzt eine theoriegeleitete Gestaltung (Planung und Durchführung) von Lehr/Lernsequenzen voraus. Diese erfordert neben den didaktischen Grundkenntnissen und Fertigkeiten auch fundierte Kenntnisse in Bezug auf die
Entwicklungs-, Lern- und Sozialpsychologie sowie der Berufspädagogik.
1.6.1 Planung von Lehr/Lernprozessen – Interdependente Elemente der (Fach-)Didaktik
Der Planungsprozess ist durch Bedingungsfelder und einem sogenannten Entscheidungsfeld, welches durch vier Elemente, determiniert ist, bestimmt. Unter Berücksichtigung der Bedingungsfelder werden die Elemente in einen entsprechenden Kontext gebracht. Die Gestaltungsvariationen sind dabei unermesslich. Bei der Planung von Lehr/Lernsequenzen, gehet es vereinfacht ausgedrückt, um die theoretisch fundierte Klärung der sogenannten W-Fragen (vgl. Meyer 1994).
Zu beantworten gilt:
− wer
− was
− wann
− wozu
− warum
− wie
− mit wem
− womit
− wo und wann
− von wem
lernen soll.

Querverweis
Stichworte
Anhang: Studienmaterial – Theoretische Exkurse – Didaktische Ansätze
Lehr–/Lerntheoretische Ansätze; Berliner Modell; Hamburger Modell
1.6.2 Durchführung von Lehr/Lernprozesse – Professionelle Handlungskompetenz
Das Lehren bzw. die Durchführung von Unterricht – die interaktive, mehr oder weniger
straffe Regelung des Lehr/Lernprozesses erfordert noch einmal gänzlich andere Kompetenzen. In Bezug auf die Durchführung, stellen sich hauptsächlich die WIE-Fragen.
Die Realisierung des Lehr/Lernprozesses erfordern Fertigkeiten in den Bereich …
−> Interaktion und Kommunikation
−> Intentionsverfolgung
−> Lehr/Lernprozess regeln
– individuelle und soziale Lernprozesse
regeln (Initiierung, Diagnose, Reaktion, Feedback)
– Motivieren und fördern
−> Klassenmanagement
– Balance zwischen Instruktion und Konstruktion [Maier 2012]
– Unterrichtsstörungen steuern und regeln
– Gruppendynamische Prozesse regeln
– Lernförderlichen „Raum“ und Klima schaffen
In einem System läuft ein Prozess ab.
System: abgegrenzte Anordnung von Gebilden (Objekten), die miteinander in Beziehung
stehen. -> Klasse, Gruppe
Prozess: ist eine Gesamtheit von aufeinander einwirkenden Vorgängen in einem System
[durch die Materie (Stoff), Energie und Daten (i. d. R. Information genannt) umgeformt,
transportiert oder gespeichert wird.] -> Schüler:innen, Lehrer:innen, Gruppen usw.
(vgl. Klein 2008, S. 911 u. 915)
In Bearbeitung…

