3.2.4.10 Umsetzungsformen/ -arten

3.2.4.10.1 Umsetzungsformen
Problemorientierter Unterricht

In Bearbeitung …

Lern- und Arbeitsaufgaben

Im Unterschied zu fachsystematischem Lernen in der Berufsausbildung stehen Lern- und Arbeitsaufgaben für ein „… prozess- und aufgabenorientiertes Lernen an problemhaltigen Situationen der beruflichen Realität“ (Howe/Berben 2006, S. 384). Sie werden in der Regel aus betrieblichen Arbeitsaufgaben bzw. Arbeitsaufträgen gewonnen. „Die Bezeichnung Lern- und Arbeitsaufgabe signalisiert, dass Lernen und Arbeiten verknüpft und systematisch aufeinander bezogen sind“ (ebd.).

Bei der Bewältigung einer Lern- und Arbeitsaufgabe wird beim Lernenden ein induktiver Lernprozess angeregt. Begriffe, theoretische Sachverhalte und deren Zusammenhänge werden aus konkretem Arbeitshandeln abgeleitet. Charakteristisch ist darüber hinaus ein offener und gestaltbarer Lernprozess. Es bestehen unterschiedliche Möglichkeiten der Planung, Durchführung und Bewertung. Das Vorgehen ist zudem subjektorientiert, d. h. Lernende sind mitbestimmend im Lern- und Arbeitsprozess integriert.

Lerntheoretische Anknüpfungspunkte und Fundierungen für ein didaktisch-methodisches Konzept, wie das der Lern– und Arbeitsaufgaben, liefern Befunde der situierten Kognition. Dieser Ansatz basiert auf der Erkenntnis, „dass Wissen immer in einem bestimmten Kontext gewonnen wird. D. h., die Anwendung des Gelernten ist nicht unabhängig von der Situation, in der gelernt wurde. Je ähnlicher Lern– und Anwendungskontext sind, umso sicherer kann das Wissen in erfolgreiches Handeln umgesetzt werden“ (Tippelt/Schmidt 2005, S. 9).

Kundenauftrag

Eine spezielle Form von Lern- und Arbeitsaufgaben stellt das Konzept „Lernen am Kundenauftrag“ dar.

In der Regel wird der/die Auszubildende im Betrieb nicht oder nur in geringem Umfang in die Phasen der Akquisition, Planung und Auswertung eines Kundenauftrags eingesetzt. So sind die der Auftragsdurchführung vor– und nachgelagerten Phasen im Wesentlichen nicht Gegenstand der betrieblichen Ausbildung. Damit Auszubildenden dennoch die Möglichkeit gegeben wird, in betriebliche Aufgaben und Strukturen hineinzuwachsen und eine starke Berufsmotivation zu entwickeln, wurde das Konzept des „Lernen am Kundenauftrag“ entwickelt. Das Lernen soll dabei selbstständig und eigenverantwortlich erfolgen und die Kundenaufträge sind als ganzheitliche Arbeitsaufgaben zu gestalten. Lernanlass sollte eine interessante sowie authentische Problem- bzw. Aufgabenstellung sein, die in eine berufsbezogene Situation eingebettet ist.

Die Entwicklung von Lernsituationen im Sinne des „Lernens am Kundenauftrag“ setzt eine ausführliche und strukturelle Kenntnis von Kundenaufträgen voraus, die die Phasen Auftragsanalyse, -planung, -durchführung und -auswertung durchlaufen. Innerhalb der Kundenauftragsphasen sind eine Menge von Untersuchungen, Entscheidungen und Handlungen auszuführen. Die Gestaltung der Kundenaufträge soll eine ganzheitliche, problemorientierte und exemplarische Lernaufgabe sein.

Die Integration der Auszubildenden in das kundenauftragsnahe Lernen kann durch die Einbindung der Auszubildenden in die Phasen des Kundenauftrags erfolgen; beispielsweise durch eine Kundenberatung im Rahmen der Auftragsanalyse, durch eine Erstellung eines Ablaufplans während der Phase der Auftragsplanung, durch eine Simulation der Baustellenbesprechung in der Durchführungsphase und durch Rechnungsstellung im Zusammenhang mit der Auftragsauswertung. Unter Einbeziehung der Kognitionsniveaus der Auszubildenden können einfache oder aber auch komplexe Kundenaufträge ganzheitlich

gestaltet werden (vgl. Sander/Hoppe 2001, S. 31).

Die grundsätzliche Struktur des Kundenauftrags enthält in Bezug auf die unterschiedlichen Arten von Kundenaufträgen eine entsprechende Variationsbreite.
Praxisrelevante Arten von Kundenaufträgen könnten wie folgt aussehen:

Reparatur/Austausch:

  • Kleinere Arbeiten bzw. Ersatz von Einzelteilen; Austausch ganzer Komponenten.

Neuinstallation:

  • Umfangreiche Tätigkeiten in Neubauten; Erstinstallation kompletter Systeme und Komponenten.

Wartung und Service:

  • Regelmäßig wiederkehrende Arbeiten an Systemen und Einzelkomponenten.

Die unterschiedlichen Auftragsarten sind mit einem je spezifischen Zeit-, Material- und Arbeitsaufwand verbunden. Mit dieser Differenzierung der Auftragsarten lassen sich nun Ausprägungen einzelner Phasen des Kundenauftrags kennzeichnen: Während einfache Reparaturarbeiten und Standardwartungen in der Regel geringe Anteile für Analyse, Planung und Auswertung beinhalten, überstreichen komplexe Modernisierungs- bzw. Sanierungsarbeiten und Neuinstallationen zumeist das gesamte Spektrum der Phasen eines Kundenauftrags, wie verdeutlicht.

Arten von Kundenaufträgen.
Quelle: Eigene Darstellung.

Um eine erste Vorstellung von lern- und praxisrelevanten Kundenaufträgen zu ermöglichen, sollen hier einige typische Kundenaufträge genannt werden.

  • Umstellung der Heizungstechnik
  • Gerätewartung
  • Störungsbehebung
  • Erweiterung einer bestehenden Heizungsanlage
  • Badsanierung
  • Installation einer solarthermischen Anlage.

Betrachtet man einen Kundenauftrag aus einer ganzheitlichen Perspektive, d.h. mit allen dazugehörigen Aspekten und Nuancen, so wird nicht nur seine Vielschichtigkeit und Komplexität ersichtlich, sondern auch sein Lernpotentiale und Lernchancen.

Querverweis
Links
Der Kunden­auftrag als Zentrum der Ausbildung. Online: https://www2.bibb.de/bibbtools/tools/mido/ upload/D086600_004AUSZ.PDF (Stand: 07.01.2017).

LIKA-Aus­bildungsbetrieb werden. Online: http://www.zukunft-handwerk.de/images/daten/Kurzportraet_LIKA_ 4Seiter.pdf (Stand: 07.01.2017).

Handlungsorientierte Ausbild­ungsangebote. Online: http://www.christiani-akademie.de/pdf/70215_probe.pdf (Stand: 07.01.2017).

Selbstlernen im Kundenauftrag. Online: http://slk.etz-stuttgart.de/slk_portal/ (Stand: 07.01.2017).

Sander, M. Lernen und Lehren mit der Kompetenzwerkst@tt Elektrohandwerk. Online: http://www.bwpat.de /ht2013/ft08/sander_ft08-ht2013.pdf (Stand: 07.01.2017).

Lernen am Kundenauftrag. Online: http://slk.etz-stuttgart.de/slk_portal/download/Sander/Helb_SLK.htm (Stand: 07.01.2017).
3.2.4.10.2 Umsetzungsarten
Leittextmethode Hols

Die Leittextmethode wurde in den 70er Jahren in der betrieblichen Ausbildung von Großbetrieben entwickelt. In der Beruflichen Bildung ist sie stark mit dem handlungsorientierten Unterricht verknüpft.

Leittexte sind kurze schriftliche Anleitungen zum selbstorganisierten Lernen (vgl. Riedl 2011, S. 241; Stangl 7014).

Elemente der Leittextmethode

Die Leittextmethode beinhaltet vier Elemente (vgl. Stangl 13685)

  1. Leitfragen:
    Durch die Beantwortung der Fragen soll der/die Lernende das notwendige Grundwissen zur Aufgabenbewältigung erlangen.
  2. Leitsätze:
    Hier werden in knapper Form fachliche Hinweise gegeben, die für die Aufgabenlösung relevant sind.
  3. Arbeitsplan:
    Der/Die Lernende erhält die Aufgabe, einen Arbeitsplan zu erstellen. Dieser soll die einzelnen Arbeitsschritte des/der Lernenden übersichtlich erfassen und somit systematische Bearbeitung ermöglicht.
  4. Kontrollbögen:
    Dem Leittext wird ein ausgearbeiteter Kontrollbogen beigelegt. Dieser dient der Selbstkontrolle. Der/Die Lernende soll sich zwischenzeitlich über sein erreichten Leistungsstand informieren und diesen, falls erforderlich, zielgerecht verbessern.
Phasen der Leittextmethode

Die Leittextmethode lässt sich in sechs Phasen gliedern (vgl. Riedl 2011, S. 241 ff.; Ott, 2011, S. 217. f.). Sie folgt dabei der Handlungsregulation.

  1. Informieren
    Der/Die Lernende informiert sich mit Hilfe der Leitfragen und Leittexte über die Aufgabenstellungen.
  2. Planen
    Der/Die Lernende legt die Reihenfolge der Arbeitsschritte fest und organisiert den Arbeitsablauf. Die Ergebnisse werden im Arbeitsplan festgehalten.
  3. Entscheiden
    Der Arbeitsplan wird mit dem/der Lehrenden abgestimmt.
  4. Ausführen
    Der/Die Lernende bearbeitet die im Arbeitsplan ihm zugeteilten Aufgaben.
  5. Kontrollieren
    Der/Die Lernende überprüft selbst die erarbeiteten Ergebnisse.
  6. Bewerten
    Der/Die Lehrende führt mit dem/der Lernenden ein Gespräch. Die erbrachte Leistung wird bewertet. Der Dialog deckt Ursachen von entstandenen Fehlern auf und hilft diese zu vermeiden.
Anwendung der Leittextmethode

Die in der Ausbildung verwendeten Leittexte unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Inten­tionen und Aufgabenstellungen (vgl. Ott, 2011, S. 218):

  • Produkt- und projektbezogene Leittexte z. B. Herstellung einer Biegevorrichtung
  • Auftrags- bzw. auftragstypenbezogene Leittexte z. B. Ein- und Ausbau von Wälzlagern
  • Tätigkeitsbezogene Leittexte z. B. Löten bzw. Schweißen
  • Arbeitsplatzorientierte Leittexte z. B. CAD-Arbeitsplatz
Rolle des Lehrenden

Der/Die Lehrende plant und organisiert das Lehrarrangement; er stellt Informationsquellen zur Verfügung und hilft den Lernenden bei Verständnisproblemen. Während der Durchführung übernimmt er moderierende, organisierende und beobachtende Aufgaben.

Lernen an Stationen Hols

Die Umsetzungsform Lernen an Stationen ist auch als Lernzirkelmethode bekannt. Das Lernen findet an unterschiedlichen Stationen mit verschieden Arbeitsmaterialien statt. Diese offene Unterrichtsform ermöglicht dem/der Lernenden eine individuelle, aktive und selbstständige Aneignung von Wissen. Sie lässt sich in drei Phasen gliedern (vgl. Riedl 2011, S. 259 f.):

  • Einführung
  • Arbeiten am Lernzirkel
  • Auswertung
Einführung

In der Einführungsphase wird das zu behandelnde Thema durch den/die Lehrende:n vorgestellt. Es werden inhaltliche Grundlagen geschaffen und ein Gesamtüberblick über das Thema gegeben. Dies ermöglicht dem/der Lernenden später eine bessere Verknüpfung der Lerninhalte an den unterschiedlichen Stationen. Der/Die Lehrende gibt klare Vorgaben hinsichtlich der Organisation (Gruppengröße an einzelnen Stationen) und der Erwartungen und Anforderungen (Abgabe von Ausarbeitungen oder Präsentation von Ergebnissen).

Arbeiten am Lernzirkel

An den verschiedenen Stationen bearbeiten die Lernenden die vorgesehenen Lerninhalte. Die Aufgaben variieren durch ihre Schwierigkeit und Komplexität oder die zur Verfügung gestellten Arbeitsmaterialien.

Auswertung

Die schüleraktive Aneignung der Lerninhalte erfordert eine Auswertung und Ergebnissicherung. Diese kann durch ein Unterrichtsgespräch oder die Präsentation der Ergebnisse der einzelnen Stationen durch Schüler:innengruppen erfolgen.

Didaktische Merkmale

Das Lernen an Stationen oder die Lernzirkelmethode ist durch folgende didaktische Merkmale gekennzeichnet (vgl. Riedl 2011, S. 261 ff.):

  • Einstimmung und klare organisatorische Vorgaben
  • Frei wählbare Reihenfolge der Lernstationen
  • Frei wählbare Arbeitskoalitionen
  • Individuelle Bearbeitungszeit an den einzelnen Stationen
  • Pflicht- und Wahlstationen
  • Konkret formulierte Arbeitsaufträge
  • Abwechslung bei Arbeitsaufträgen und Lernmaterialien
  • Ansprechen unterschiedlicher Sinneskanäle
  • Möglichkeit und Forderung von Selbstkontrolle
  • Dokumentation der Arbeitsergebnisse, Ergebnissicherung
Anwendung der Unterrichtsform Lernen an Stationen / Lernzirkelmethode

Bei der Anwendung der Unterrichtsform Lernen an Stationen / Lernzirkelmethode sind folgende Aspekte zu beachten (vgl. Riedl 2011, S. 267 ff; Stangl 12904):

  • Unterrichtsthemen können in einzelne Aspekte aufgeteilt werden
  • Neue Themen können eigenständig und vollständig bearbeitet werden
  • Leistungsstarke und leistungsschwache Schüler:innen können gleichermaßen profitieren
  • Lernende werden zu eigenverantwortlichem Lernen erzogen
  • Umfangreiche und zeitintensive Vorbereitung