5.4.3.1 Beeinträchtigungen des Lehr/Lernprozesses – Unterrichtsstörungen
„Störungen [des Lehr/Lernprozesses (Anm. d. A.)] und Konflikte entstehen, wenn unterschiedliche Bedürfnisse, Interessen, Werte und Meinungen zusammentreffen“
(ZWH 2018)
Die ist in einem formelle Lehr/Lernprozess die Regel. Damit gehören Störungen und Konflikte im Unterricht zur Normalität.
5.4.3.2 Was ist unter dem Begriff Unterrichtsstörungen zu verstehen?
Eine Störung als solche gibt es nicht – sondern „Etwas“ wird als störend betrachtet/empfunden – damit ist die Störungsempfindung sehr individuelle und subjektiv.
Was unter Unterrichtsstörungen zu verstehen ist, wird, wie sollte es in der Didaktik anders sein, unterschiedliche ausgelegt.
Gängige Auslegungen sind bspw.:
„Alles, was den Prozess oder das Beziehungsgefüge von Unterrichtssituationen unterbricht oder unterbrechen könnte, ist als konkrete oder potentielle Unterrichtsstörung definierbar.“
(Biller K.H. 1979)
„Unterrichtsstörungen sind Ereignisse, die den Lehr-Lern-Prozess beeinträchtigen, unterbrechen oder unmöglich machen, indem sie die Voraussetzungen, unter denen Lehren und Lernen erst stattfinden können, teilweise oder ganz außer Kraft setzen. Zu den Voraussetzungen zählen äußere und innere, das Lernen ermöglichende Bedingungen, wie physische und psychische Sicherheit, Ruhe, Aufmerksamkeit, Konzentration.“
(Lohmann 2011)
„Eine Unterrichtsstörung liegt dann vor, wenn der Unterricht gestört ist, d.h. wenn das Lehren und Lernen stockt, aufhört, pervertiert, unerträglich oder inhuman wird.“
(Winkel 2011)
Definition nach Nolting (2002, S.13):
- Normative: Handlungen von SuS, die gegen Regeln für das Verhalten im Unterricht verstoßen
- Funktionale: Handlungen, welche die Unterrichtsdurchführung behindern
Summation!
-> Ereignisse und Prozesse, die als Beeinträchtigung, Behinderung oder Unterbrechung des Lehr/Lernprozesses wahrgenommen werden.
5.4.3.2.1 Arten von Unterrichtsstörungen
In der Literatur findet man verschiedene Auslegungen zu Arten der Unterrichtsstörungen (vgl. Unterrichtsstörungen, Betzold)
Lohmann unterteilt die Arten wie folgt:
- verbales Störverhalten
- mangelnder Lerneifer
- motorische Unruhe
- aggressives Verhalten
Winkel hingegen unterteilt in:
- Disziplinstörungen
- Provokationen und Aggressionen
- akustische und visuelle Dauerstörungen sowie allgemeine Unruhe bzw. Konzentrationsschwierigkeiten
- Störungen aus dem Außenbereich des Unterrichts
- Lernverweigerung und Passivität
- Desmotivation
- Neurotisch bedingte Störungen
5.4.3.2.2 Ursachen
Bei Intervention geht es nicht darum, die Störung zu unterbinden, sondern die Ursache der Störung zu eruieren und diese dann zu beseitigen. Grundsätzlich gibt es mehrere Faktoren, die als Ursache für Störungen zutreffen können:
- Rahmenbedingungen
- Rahmensituationen (schulintern, gesellschaftlich, bildungspolitisch)
- Schüler:innen
- Lehrer:in
Rahmenbedingungen
- Aktuelle (politische, schulische) Ereignisse
- Schulinterne Regelungen
- Gesellschaftliche Normen und Werte
Rahmenbedingungen
- Lärm
- Ablenkung, bspw. etwas Interessantes vor dem Fenster
- Feueralarm etc.
- Raum (Akustik, Lichtverhältnisse, Sitzordnung, Raumklima…)
- (Smartphone)
- …..
Klasse/Gruppe
- Selbsterprobung und gruppendynamische Prozesse
- Grenzen austesten, Klischees und Vorurteile bedienen,
- Ausgeliefert fühlen (ohnmächtig),
- Status (finden/verbessern)
- Gesellschaftliche Einflüsse – Änderung der
- Werte, Normen, Entwicklungen (Digitalisierung)
- …
Schüler:innen
- Bedürfnisse der Schüler:innen
- Motivation, Emotionen, fehlende Sinnhaftigkeit, Langeweile, Über-/Unterforderung, Ablenkung,
- Entwicklungstand (Pubertier)
- Neuro-/biologische Störungen
fehlende Kompetenzen, Konzentrationsschwächen, …. - Soziale, persönliche Probleme
- …

Lehrer:in
Planungsbedingt
- unzureichende Unterrichtsvorbereitung
- Methodenmonotonie, unzulängliche Diagnostik
- fehlende Passung
- unklare Arbeitsanweisungen
- fehlende Transparenz
- geringe Aktivierung
- diffuser Stundenbeginn / Stundenende …
- …
Persönlichkeitsbedingt
- Kontrollsucht („Lehrer:in stört.“)
- Beliebtheitsfalle („Habt mich lieb. Seht her, wie toll ich bin.“)
- Wohlfühlfalle (Konfliktscheu, „Toleranz“)
- Beraterfalle/Helfersyndrom („Wir müssen miteinander sprechen. Du kannst mit mir über alles sprechen.“)
- Entscheidungsmüdigkeit („Macht doch was ihr wollt“)
- Gleichgültigkeitsfalle („Die sieht mich überhaupt nicht.“)
- filtrierte Wahrnehmung
- ungleiche Aufmerksamkeitsverteilung
- …
(Quelle: Daun 2018)
5.4.3.2.3 Störungen regeln
Was als Störung wahrgenommen wird und welche Reaktion darauf erfolgt ist individuell sehr verschieden. Daher gibt es auch hier kein Rezept – nur mehr oder weniger geeignete Strategien, um Störungen zu regeln.
Vorgehensschema: Analyse – Reflexion – Reaktion
- Aufgabe: Analysiert …
- Situation & ggf. Hintergrund?
- Was wird als störend wahrgenommen?
- Ursache?
- Verhalten?
- Reflexion! & mögliche Reaktion
Oder
- Was ist zu Beobachten?
- Was sind mögliche Ursachen für die Störung?
- Wer reagiert wie warum?
- Lösungsstrategien?
Professionelles Verhalten
- Emotionen rausnehmen, nüchtern analysieren
- Nichts persönlich nehmen
- Gewaltfreie Kommunikation – nicht verletzen oder bloßstellen
- Humor nicht vergessen (≠ Ironie oder Sarkasmus)
Reaktionsstrategien
Im Kollegium
- Schulregeln erfragen
- Verhalten abstimmen
In der Klasse
- Bemerken -> nonverbal / reduziert reagieren
- Bemerken + ansprechen –> Vertagen -> kurzfristig bilaterales Gespräch suchen
- Bemerken + ansprechen -> „ausfechten“
- Auf Regeln hinweisen
- Problem thematisieren
- Konstruktiv, lösungsorientiert, Auswege aufzeigen
- respektvoll, gesichtswahrend, auf Augenhöhe
(Machtdemonstration vermeiden) - Ruhig, sachlich und bestimmt (Stimme senken)
- (Gorden´sche Ichbotschaften)
5.4.3.3 Regeln, Rituale, Struktur und Vertrauen
- Regel mit den SuS zusammen entwickeln
- Rituale einführen
- Transparenz „Einforderung“ (auch über die SuS)
- Konsequent die Konsequenzen aufzeigen und durchziehen
- Eskalationsstufen einbauen
- An die eigenen Regeln halten
In Bearbeitung …
5.4.3.4 Verantwortung und Kontrolle
In Bearbeitung …
5.4.4 Diagnostik
Aufgaben der Lehrenden (vgl. Pfister 2009)
- Feststellung der Lernvoraussetzung
- Eruieren der Ursachen von Lerndefiziten
- Kontrolle des Lehr/Lernprozesses
- Ermittlung und Bewertung der Lernergebnisses
- …
